Warum Gruppenregeln das Herz jeder Selbsthilfegruppe sind
„Was hier besprochen wird, bleibt hier.“ – Ein Satz, den viele aus Selbsthilfegruppen kennen. Doch dahinter steckt weit mehr als eine einfache Regel. Gruppenregeln sind das unsichtbare Netz, das Vertrauen, Sicherheit und ein respektvolles Miteinander in der Gruppe ermöglicht.
In diesem Blogbeitrag beleuchten wir, warum Gruppenregeln so wichtig sind, welche Grundregeln jede Selbsthilfegruppe haben sollte und wie man sie gemeinsam erarbeitet.
Warum sind Gruppenregeln so wichtig?
Selbsthilfegruppen leben vom offenen Austausch – von persönlichen Geschichten, Emotionen und Erfahrungen. Damit dieser Austausch gelingt, brauchen Gruppen ein stabiles Fundament aus Vertrauen und Respekt. Gruppenregeln schaffen genau diese Basis.
Gruppenregeln sorgen dafür, dass:
- Sicherheit entsteht: Teilnehmende fühlen sich geschützt, wenn sie wissen, dass ihre Worte vertraulich behandelt werden.
- Jede Stimme gehört wird: Regeln helfen dabei, dass niemand dominiert oder übergangen wird – alle bekommen ihren Raum.
- Ein respektvolles Miteinander möglich ist: Unterschiedliche Meinungen sind willkommen, solange sie wertschätzend geäußert werden.
- Konflikte minimiert werden: Klare Vereinbarungen beugen Missverständnissen vor und bieten einen Rahmen, um Spannungen konstruktiv zu lösen.
Die wichtigsten Grundregeln für jede Selbsthilfegruppe
Hier sind einige bewährte Regeln, die in fast allen Selbsthilfegruppen für ein respektvolles Miteinander sorgen:
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Vertraulichkeit:
„Was in der Gruppe besprochen wird, bleibt in der Gruppe.“
Ohne Vertrauen funktioniert Selbsthilfe nicht. Diese Regel ist essenziell, damit sich alle sicher fühlen. -
Respektvoller Umgang:
Alle Meinungen, Erfahrungen und Gefühle werden geachtet – ohne Bewertungen oder Urteile. Aussagen wie „Das stimmt so nicht“ werden durch einfühlsamere Formulierungen ersetzt: „Ich habe das anders erlebt.“ -
Freiwilligkeit:
Jede*r darf, niemand muss. Niemand ist verpflichtet, etwas zu erzählen, was ihm oder ihr unangenehm ist. Auch die Teilnahme an bestimmten Übungen oder Gesprächsthemen ist freiwillig. -
Keine Ratschläge ohne Nachfrage:
Selbsthilfe bedeutet Austausch, nicht Therapie. Anstatt direkte Ratschläge zu geben, können eigene Erfahrungen geteilt werden. Zum Beispiel: „In einer ähnlichen Situation hat mir XY geholfen.“ -
Aktives Zuhören:
Während jemand spricht, hören die anderen aufmerksam zu – ohne zu unterbrechen oder sich innerlich auf eine Antwort vorzubereiten. So entsteht echtes Verständnis. -
Gleichberechtigung:
Jede Stimme zählt. Niemand hat eine „höhere“ Position in der Gruppe – auch Gruppenleitende sind Teil der Gemeinschaft. -
Zeiten einhalten:
Pünktlichkeit und Zeitlimits sorgen dafür, dass alle Teilnehmenden zu Wort kommen und das Treffen strukturiert abläuft. Eine Redezeitregel kann helfen, wenn manche mehr Raum einnehmen als andere. -
Keine Diskriminierung:
Respekt gegenüber allen Identitäten, Meinungen und Hintergründen ist ein Muss. Diskriminierende Aussagen werden nicht toleriert.
Wie entwickelt man Gruppenregeln?
Gruppenregeln wirken am besten, wenn sie gemeinsam erstellt werden. So fühlen sich alle Teilnehmenden verantwortlich und gehört.
So geht’s:
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Thema einführen:
Sprich das Thema Gruppenregeln aktiv an – vielleicht direkt beim ersten Treffen. Frag in die Runde: „Was braucht ihr, um euch hier wohlzufühlen?“ -
Brainstorming:
Gemeinsam werden Regeln gesammelt. Alles wird zunächst notiert – ohne zu bewerten. -
Gemeinsam entscheiden:
Anschließend werden die Regeln gemeinsam besprochen und auf eine Kerngruppe reduziert. Eine Abstimmung kann helfen, wenn es unterschiedliche Meinungen gibt. -
Regeln sichtbar machen:
Haltet die Gruppenregeln schriftlich fest. Hängt sie sichtbar auf oder verteilt sie an alle Teilnehmenden. -
Regeln regelmäßig überprüfen:
Nach einigen Treffen kann es sinnvoll sein, die Regeln noch einmal zu reflektieren: „Fühlen sich alle wohl? Müssen wir etwas anpassen?“ Selbsthilfegruppen sind dynamisch – Regeln dürfen sich anpassen.
Was tun, wenn Regeln gebrochen werden?
Es kann vorkommen, dass Regeln nicht immer eingehalten werden. Das Wichtigste ist, Konflikte offen und respektvoll anzusprechen.
Hier ein paar Tipps:
- Frühzeitig eingreifen: Warte nicht, bis sich Spannungen aufbauen. Sprich die Situation ruhig und sachlich an.
- Auf die Regeln verweisen: „Wir hatten vereinbart, dass wir einander nicht unterbrechen – können wir uns wieder darauf einigen?“
- Die Gruppe einbeziehen: Frag nach den Erfahrungen der anderen. Oft hilft es, wenn die Gruppe selbst Lösungen vorschlägt.
Gruppenregeln sind mehr als nur formale Absprachen – sie schaffen das Fundament für Offenheit, Vertrauen und persönliches Wachstum. Sie ermöglichen, dass jede*r gesehen und gehört wird und eine Selbsthilfegruppe zu dem wird, was sie sein sollte: ein sicherer Ort für Austausch, Unterstützung und Heilung.
Wenn alle sich an den gemeinsam erarbeiteten Rahmen halten, entsteht ein starkes Gefühl von Gemeinschaft – und genau das macht Selbsthilfegruppen so kraftvoll.